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04. November 2021

Rückfall von Oschatz ins Mittelalter
In der NS-Zeit kamen Frauen in den Pranger

Von Frank Hörügel

OSCHATZ „Ich habe mich ins Mittelalter zurück versetzt gefühlt“, sagte Gabriele Teumer mit bewegter Stimme. Die Heimatforscherin stellte am Dienstagabend vor 64 Gästen im Thomas-Müntzer-Haus ihr neues Heft „Ohne Haar und ohne Würde. Oschatzer Frauenschicksale im Nationalsozialismus 1940-1945“ vor. Im Mittelpunkt des Heftes, das der Geschichts- und Heimatverein Oschatz heraus gegeben hat, steht das Schicksal von Dora von Nessen. Sie wurde am 19. September 1940 im Pranger am Rathaus zur Schau gestellt und von den Oschatzern ausgepfiffen. Eine Strafe, wie sie auch im Mittelalter üblich war.


Dora von Nessen wird am 19. September 1940 in den Pranger gesperrt.   Quelle: Stadt- und Waagenmuseum Oschatz

Drei Stunden musste die kahlgeschorene Frau im Pranger ausharren. Ein kurzer Original-Film aus dem Archiv von Grit Jähn zeigt diese Szene und schockierte die Zuschauer im Thomas-Müntzer-Haus.
Bereits davor hatte die junge Frau unermessliches Leid erfahren. Die im Jahr 1911 geborene Frau war in der Schule keine Leuchte. Ihr wurde Schwachsinnigkeit attestiert, weshalb sie im Mai 1935 im Wurzener Krankenhaus zwangssterilisiert wurde.
Zwei Jahre später schien sich ihr Schicksal zum Besseren zu wenden, als sie Walter von Nessen heiratete und im Rittergut Wilke in Calbitz eine Arbeit fand. Doch dann gab es einen weiteren Schicksalsschlag. Ihr Mann musste an die Front. Und Dora von Nessen verguckte sich in einen polnischen Kriegsgefangenen. Diese damals verbotene Beziehung flog auf, als Dora von Nessen in Calbitz angezeigt wurde. Auf Geheiß des NSDAP-Kreisleiters Max Albrecht wurde die 28-Jährige verhaftet und in den Pranger gestellt.
Danach zog Dora von Nessen nach Fuchshain. Helmut Kinne (75) hat die 2003 verstorbene Frau kennen gelernt. „Sie war eine schlichte, hilfsbereite und arbeitsame Frau – schwachsinnig war sie nicht“, sagte der Fuchshainer nach der Lesung.

 


16. Oktober 2021

„Freiwillig kriegen die mich nicht“

Erhard Kaasche (97) erlebte das Ende des Zweiten Weltkrieges in Oschatz, musste sich
erst vor den Amerikanern und dann vor den Russen verstecken.

Von Frank Hörügel

OSCHATZ An diesem Donnerstag scheint die Frühlingssonne vom blauen Himmel. Am 24. April 1945 wehen überall in der Stadt weiße Fahnen. Die Oschatzer atmen auf: Die kampflose Übergabe der Stadt an die Amerikaner ist zum Greifen nahe. Am frühen Nachmittag rollen aus Richtung Wermsdorf vier amerikanische Jeeps auf den Neumarkt. „Ohne Zwischenfall erfolgt im Rathaus die kampflose Übergabe der Stadt Oschatz an ein amerikanisches Kommando, das aus etwa 25 schwer bewaffneten Militärangehörigen besteht.“ Mit dieser Schilderung eröffnet die Vorsitzende des Oschatzer Geschichts- und Heimatvereins Dana Bach den öffentlichen Vortrag von Erhard Kaasche im Thomas-Müntzer-Haus.

Bild links: Erhard Kaasche als kleiner Ulan vor dem Ulanendenkmal, das sich an der Dresdner Straße in Oschatz befand


 

Erhard Kaasche als Panzergrenadier kurz vor dem Kriegsende und bei seinem Vortrag in Oschatz.

Der 97-Jährige ist einer der letzten Zeitzeugen des Kriegsendes in Oschatz und trotz seines hohen Alters noch topfit. Nur das Hören bereitet ihm Schwierigkeiten.
Im September 1924 wurde Erhard Kaasche in Oschatz geboren und wuchs hier im Elternhaus in der Seminarstraße auf. Der junge Mann war noch nicht mal 18 Jahre alt, als er erst zum Reichsarbeitsdienst und dann zur Wehrmacht eingezogen wurde. „Ich habe in der Panzergrenadierdivision Großdeutschland gedient“, erinnert er sich. Ab 1943 kämpfte der Oschatzer in Russland, war auch in Stalingrad. Vier mal wurde Kaasche verwundet, musste unter anderem einen Unterschenkel- und einen Schulterschuss auskurieren. Die Verletzungen haben ihm das Leben gerettet, der Panzergrenadier landete schließlich Anfang März 1945 im Reserve-Lazarett im Oschatzer Seminar (heute Thomas-Mann-Gymnasium) – 200 Meter von seinem Elternhaus entfernt. „Ich könnte heute noch weich werden, wenn ich daran denke. Das war für mich der Anfang vom Ende des Krieges.“ Die Ereignisse überschlugen sich nun. „Vom Westen kamen die Amerikaner, vom Osten die Russen.“
Die Betten im Oschatzer Lazarett wurden gebraucht, Erhard Kaasche wurde nach Hause entlassen. „Jetzt ging das Verstecken los.“ Oschatz sollte geräumt werden. Doch dazu kam es nicht. Erhard Kaasche versteckte sich im Keller und auf dem Boden vor den Kontrolleuren der Wehrmacht. „Dann wurde mir aber langsam ängstlich. Wir mussten uns irgendwo melden. Wir brauchten in unserem Wehrpass einen Stempel, damit wir bei Kontrollen beweisen konnten, dass wir nicht heimlich hier waren.“ Deserteuren drohte die Todesstrafe. Kaasche meldete sich beim Stadtkommandanten im Hotel “Weißes Ross“, der ihn auf Anhieb sympathisch fand. Der 20-Jährige bekam seinen Stempel und den Vermerk „zur besonderen Verfügung des Stadtkommandanten“.
Und dann kam der 24. April 1945, Erhard Kaasche war im Büro des Stadtkommandanten. „Ich setzte mich so ganz leger aufs Fensterbrett. Und dann sah ich, dass es auf dem Altmarkt unruhig wurde und immer mehr Leute kamen.“ Kaasche ging runter und fragte nach dem Grund der Aufregung. „Auf dem anderen Markt steht der Amerikaner. Der Krieg ist aus“, erfuhr er.
Die Amerikaner verfügten nun, dass sich alle deutschen Soldaten auf dem Neumarkt melden mussten. „Das habe ich nicht gemacht. Meine Losung war: Freiwillig kriegen die mich nicht.“ Kaasche entsorgte seine Uniform und alles, was auf seine militärische Vergangenheit hingewiesen hätte. „Sogar mein Luftgewehr habe ich zerhackt. Ich habe mich versteckt und mich nirgendwo mehr sehen lassen.“
Am 5. Mai stand er mit seiner späteren Frau Inge am Fenster in der Seminarstraße und blickte in Richtung Neumarkt. „Dann hörten wir plötzlich: Die Rollladen gingen runter, die Türen zu. Die Leute verschwanden alle.“ Die Russen waren da.
Das Versteckspiel ging weiter. „Zwei Russen mit Maschinenpistolen kamen zu uns ins Haus und haben Zimmer für Zimmer durchsucht.“. Erhard verbarg sich auf dem Spitzboden. „Ich hatte zu diesem Zeitpunkt noch meine Dienstpistole und stand hinter dem Schornstein. Und zwei Meter vor mir waren die beiden Russen. Der eine wollte noch den Spitzboden durchsuchen, aber der andere hatte die Nase voll. Die Russen zogen ab.“ Zum Glück für Erhard Kaasche.
Doch irgendwann musste er wieder auftauchen und meldete sich bei der russischen Kommandantur. „Da bin ich dann mit meinen Krücken losgezogen. Je näher ich der Kommandantur kam, umso schlechter konnte ich laufen.“ Die Russen akzeptierten, dass Kaasche schwer verletzt war. Die Stabsärztin habe gesagt: „Du nach Hause.“ Das ließ sich der 20-Jährige nicht zweimal sagen. „Je weiter ich von der Kommandantur weg war, umso schneller konnte ich laufen.“ Nun hatte er die Entlassungspapiere der Russen – Erhard Kaasche war wieder Zivilist.
Seinen ersten Geburtstag nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges feierte Erhard Kaasche am 22. September 1945. „Da war ich 21 Jahre alt. Und eine Woche später habe ich meine Inge geheiratet, mit der ich 69 Jahre zusammen war.“

 


26. September 2021

Grabstein wieder lesbar
Am Wüsten Schloss informieren neue Tafeln zur Geschichte

Von Frank Hörügel

Mario Teumer, der sich gemeinsam mit seiner Frau um einen ordentlichen Zustand des Areals kümmert, und Dana Bach, Vorsitzende des Geschichts- und Heimatvereins, sind froh über die erneuerten Informationstafeln am Wüsten Schloss.

OSCHATZ Dieser Schuss muss ohrenbetäubend zwischen den Mauern des Wüsten Schlosses widergehallt haben. Am Nachmittag des 15. Juni 1829 jagte sich Carl August von Metzradt hier eine Kugel ins Herz. Im Alter von 52 Jahren setzte der Kommandant des Oschatzer Schützenbataillons seinem Leben im Innenhof der Schlossruine selbst ein Ende. Der sächsische Offizier wurde zwei Tage später mit militärischen Ehren im Stadtwald – etwa einen Kilometer vom Wüsten Schloss entfernt – beerdigt. Das knapp 200 Jahre alte Grab gibt es heute noch – ein Holzschild weist an der Sternallee darauf hin. Die Inschrift war jedoch in den vergangenen Jahren völlig verwittert und unleserlich geworden. Im Auftrag des Oschatzer Geschichts- und Heimatvereins hat jetzt der Oschatzer Steinmetz Volkmar Schmidt die verwitterten Buchstaben nachgearbeitet und mit schwarzer Farbe ausgemalt. Bei seinem Anblick taucht unweigerlich die Frage auf: Warum hat sich der beliebte Offizier damals das Leben genommen? Auf diese Frage gibt es zwei mögliche Antworten. Im Heft 15 von „Der Heimatbote“ schreibt Reiner Scheffler: „Der Wiener Kongress (Versammlung der europäischen Staatsmänner 1814/1815) hatte Sachsen zugunsten Preußens um nahezu die Hälfte verkleinert und auch die sächsische Armee reduziert.“ In der Folge blieb vielen Offizieren eine weitere Laufbahn verwehrt. Das könnte nach Ansicht von Freunden Metzradts der Grund für seinen Freitod gewesen sein. Ein anderer Zeitgenosse – Graf Holtzendorff – nahm dagegen Geldprobleme und eine Erkrankung als Ursache an. Sowohl Metzradts Grab als auch das Wüste Schloss als Kulisse dieses schrecklichen Ereignisses sind frei zugänglich. Dort können sich die Besucher an drei großen Tafeln über die Geschichte der Schlossruine und über die hier erfolgten Ausgrabungen informieren. Der Geschichts- und Heimatverein finanzierte die neuen Tafeln. Die ursprünglichen Tafeln waren 2012 aufgestellt, aber bereits kurze Zeit später von Randalierern zerstört worden. FH

 


25./26. September 2021

Warum Cesare bei Kriegsfilmen weinte
Italiener war im Oschatzer Gefangenenlager registriert und erlebte in Leipzig Schreckliches

Von Frank Hörügel

Tausende Kriegsgefangene wurden im Zweiten Weltkrieg vom Gefangenenlager Stalag IV G in Oschatz aus in Betriebe der Region geschickt – so wie diese Männer aus Südafrika, die in der Sauerkrautfabrik in Coswig arbeiten mussten.

OSCHATZ Renzo Furlanetto knetet ein weißes Taschentuch zwischen seinen kräftigen Händen. Der 72-Jährige sagt mit Tränen in den Augen: „Wie in vielen anderen betroffenen Familien wurde auch bei uns nicht darüber geredet.“ Sein Vater Cesare Furlanetto hat bis zu seinem Tod im Jahr 1995 geschwiegen.
Im Zweiten Weltkrieg war er als italienischer Kriegsgefangener im Gefangenenlager Stalag IV G in Oschatz registriert. Erst nachdem Cesare Furlanetto im Alter von 82 Jahren im städtischen Krankenhaus von Dolo (Venedig) verstorben war, wurde sein Tagebuch entdeckt. Akribisch hatte der Italiener darin auf vielen kleinen Zetteln seine Erlebnisse als Kriegsgefangener von seiner Verhaftung am 8. September 1943 bis zum 22. Juni 1945 aufgeschrieben. Am 22. Juni 1945 überquerte der damals 32-Jährige auf der Rückkehr aus deutscher Kriegsgefangenschaft in seine Heimat Italien den Brennerpass in den Alpen. „Danach hat er sein Tagebuch nie wieder geöffnet“, sagt Stefano Furnaletto. Er ist der Enkel von Cesare Furlanetto und hat das Tagebuch seines Großvaters jetzt als Buch mit 237 Seiten veröffentlicht. Titel: „Diario sulla mia Prigionia“ (Tagebuch über meine Gefangenschaft).
Den Nachfahren von Cesare Furlanetto ließ das Schicksal ihres Vaters und Großvaters keine Ruhe. Seine Söhne Rino und Renzo, seine Tochter Rosi und sein Enkel Stefano begaben sich in diesem Monat auf die Spuren des italienischen Kriegsgefangenen. Eine Woche lang übernachteten sie in Oschatz und besuchten von hier aus die Stationen, die Cesare Furlanetto in seinem Tagebuch aufgeschrieben hat. Sie fuhren zu den Gedenkstätten Zeithain und Mühlberg, waren in Leipzig und auf dem Rückweg nach Italien im ehemaligen Konzentrationslager Buchenwald.
Unterstützung erhielten die Italiener dabei von Gabriele Teumer vom Oschatzer Geschichts- und Heimatverein, die seit Jahren zum Gefangenenlager Stalag IV G in Oschatz recherchiert und die Geschichte des Lagers in einer Ausstellung dokumentiert hat. Sie führte die Furlanettos durch die Ausstellung und berichtete von den Ergebnissen ihrer Recherchen. „Unsere Aufgabe ist es, die jungen Menschen davon zu informieren, was hier passiert ist“, sagte Gabriele Teumer. Und Renzo Furlanetto sagte: „Hier schließt sich ein Kreis für uns.“
Der Kriegsgefangene Cesare Furlanetto war damals nur wenige Tage in Oschatz untergebracht, wo er am 14. März 1944 im Gefangenenlager Stalag IV G registriert worden war. Vom Oschatzer Stammlager aus wurden tausende Kriegsgefangene in Arbeitskommandos eingeteilt – und in Betriebe oder Bauernhöfe in der gesamten Region Leipzig geschickt.
Cesare Furlanetto wurde zur Arbeit in die Erla-Werke nach Leipzig abkommandiert, wo Jagdflugzeuge gebaut wurden. In dieser Zeit hatte Cesare Furlanetto ein schreckliches Erlebnis, über das er bis zu seinem Tod nicht sprechen wollte – und konnte. Er war Augenzeuge des Massakers von Abtnaundorf und berichtet davon in seinem Tagebuch.
Am 18. April 1945 wurden im Leipziger Stadtteil Abtnaundorf mindestens 80 Häftlinge aus dem Konzentrations-Außenlager Leipzig-Thekla von SS-Männern in ihrer Baracke bei lebendigem Leib verbrannt oder erschossen. Seit 1958 erinnert ein Mahnmal an die Opfer des Massakers von Abtnaundorf.
Dieses traumatische Erlebnis begleitete Cesare Furlanetto bis zu seinem Tod. Das begriff sein Enkel Stefano erst so richtig, als er das Tagebuch gelesen hatte. „Wenn im Fernsehen ein Kriegsfilm gezeigt wurde, wechselte mein Großvater den Kanal – oder er weinte“, erinnert sich Stefano.
Die Ausstellung zum Gefangenenlager Stalag IV G in Oschatz ist derzeit im früheren Gefolgschaftshaus der alten Filzfabrik untergebracht. Die Gesellschafter des Unternehmens David Pfennig und Jens Hönisch stellen den Raum zur Verfügung.

 

Cesare Furlanetto, ital. Kriegsgefangener, Foto: privat

Dieses Buch über Cesare Furlanetto hat sein Enkel Stefano Furlanetto geschrieben. Der Buchtitel heißt übersetzt: Tagebuch meiner Gefangenschaft.
In der Mitte des Familienfotos ist Cesare Furlanetto zu sehen.

In der Ausstellung zu Kriegsgefangenen in Oschatz: (v.l.) Gabriele Teumer, Stefano Furlanetto, Serenella Camerlengo, Renzo Furlanetto, Diego Albertin,Rosy Furlanetto, Rino Furlanetto, Annamaria da Lio

Siehe auch Bildergalerie

Kommentar: Über 76 Jahre sind vergangen, nachdem Cesare Furlanetto im Leipziger Stadtteil Abtnaundorf Augenzeuge eines Massakers an KZ-Häftlingen geworden war. Bis zu seinem Tod im Jahr 1995 hat der Italiener nie über dieses schreckliche Ereignis gesprochen, das er in seinem Tagebuch festgehalten hat. Cesare Furlanetto ist nur einer von tausenden Kriegsgefangenen, die während des Zweiten Weltkrieges vom Oschatzer Gefangenenlager IV G aus Arbeitskommandos in vielen Betrieben der Region zugeteilt worden sind. Dass es in Oschatz so ein Lager gegeben hat, ist lange Zeit totgeschwiegen worden. Erst als sich in den 1990er Jahren die ersten ehemaligen Kriegsgefangenen oder ihre Nachfahren hier auf Spurensuche begaben, kam Licht ins Dunkel. Gabriele Teumer vom Oschatzer Geschichts- und Heimatverein forscht seit Jahren zum Gefangenenlager in ihrer Stadt. Auf dieser Grundlage fußt eine Ausstellung mit berührenden Schicksalen und eindrucksvollen Fotos zu den Kriegsgefangenen. Wie wichtig diese Schau ist, zeigt das zunehmende Interesse von Nachfahren der Oschatzer Kriegsgefangenen am Schicksal ihrer Väter oder Großväter. Die Jüngeren wollen Antworten auf die Frage, warum ihre Vorfahren so lange geschwiegen haben. Dabei hilft ihnen die Oschatzer Ausstellung.


11. September 2021

Warum sich Metzradt im Wüsten Schloss erschossen hat
Grabstein des Oschatzer Offiziers im Auftrag des Geschichts- und Heimatvereins erneuert /
Am Sonntag Führungen durch die Schlossruine

Von Frank Hörügel

Dana Bach und Dr. Manfred Schollmeyer am frisch sanierten Stein von Metzradts Grab

Oschatz. Dieser Schuss muss ohrenbetäubend zwischen den Mauern des Wüsten Schlosses widergehallt haben. Am Nachmittag des 15. Juni 1829 jagte sich Carl August von Metzradt hier eine Kugel ins Herz. Im Alter von 52 Jahren setzte der Kommandant des Oschatzer Schützenbataillons seinem Leben im Innenhof der Schlossruine selbst ein Ende.

Der sächsische Offizier wurde zwei Tage später mit militärischen Ehren im Stadtwald – etwa einen Kilometer vom Wüsten Schloss entfernt – beerdigt. Das knapp 200 Jahre alte Grab gibt es heute noch – ein Holzschild weist an der Sternallee darauf hin. Die Inschrift war jedoch in den vergangenen Jahren völlig verwittert und unleserlich geworden.

Im Auftrag des Oschatzer Geschichts- und Heimatvereins hat jetzt der Oschatzer Steinmetz Volkmar Schmidt die verwitterten Buchstaben nachgearbeitet und mit schwarzer Farbe ausgemalt. Erstmals zum Tag des offenen Denkmals am Sonntag kann das restaurierte Grabmal aus grauem Sandstein besichtigt werden.

Bei seinem Anblick taucht unweigerlich die Frage auf: Warum hat sich der beliebte Offizier damals das Leben genommen? Auf diese Frage gibt es zwei mögliche Antworten. Im Heft 15 von „ Der Heimatbote“ schreibt Reiner Scheffler: „Der Wiener Kongress (Versammlung der europäischen Staatsmänner 1814/1815) hatte Sachsen zugunsten Preußens um nahezu die Hälfte verkleinert und auch die sächsische Armee reduziert. “ In der Folge blieb vielen Offizieren eine weitere Laufbahn verwehrt. Das könnte nach Ansicht von Freunden Metzradts der Grund für seinen Freitod gewesen sein. Ein anderer Zeitgenosse – Graf Holtzendorff – nahm dagegen Geldprobleme und eine Erkrankung als Ursache an.

Zum Denkmaltag an diesem Sonntag können die Besucher sowohl Metzradts Grab ansehen als auch dem Wüsten Schloss als Kulisse dieses schrecklichen Ereignisses einen Besuch abstatten. Zwischen 13 und 17 Uhr bietet Gabriele Teumer zum Denkmaltag Führungen durch das Wüste Schloss an. Parallel dazu werden an einem Stand Publikationen des Oschatzer Geschichts- und Heimatvereins verkauft.

An drei großen Tafeln können sich die Besucher zudem über die Geschichte der Schlossruine und über die hier erfolgten Ausgrabungen informieren. „Wir sind froh, dass die neuen Informationstafeln rechtzeitig vor dem Denkmaltag aufgestellt werden konnten“, sagt Dana Bach, Vorsitzende des Geschichts- und Heimatvereins. Der Verein finanziert die neuen Tafeln. Die ursprünglichen Tafeln waren 2012 aufgestellt, aber bereits kurze Zeit später von Randalierern zerstört worden. Dana Bach freut sich zudem darüber, dass die Oschatzer Stadtgärtner das Gelände des Wüsten Schlosses vor dem Denkmaltag noch gemäht haben und sich das Ehepaar Gabriele und Mario Teumer ständig um einen ordentlichen Zustand des Areals kümmert. „Wir hoffen, dass wir zum Denkmaltag hier viele Besucher begrüßen können“, sagt Dana Bach.

 


10. September 2021

Heimatverein startet wieder durch
Auftakt mit Führung am Wüsten Schloss

Von Frank Hörügel

Vereinsvorsitzende Dana Bach (r.) begrüßt Manuela Schwarz als neues Vereinsmitglied

Oschatz. Der Geschichts- und Heimatverein Oschatz hat den monatelangen Corona-Stillstand ohne Mitgliederverlust überstanden. Die Zahl der Mitglieder liegt weiter bei 40. Im vergangenen Jahr gab es zwar zwei Austritte. Zur Mitgliederversammlung am Mittwochabend konnte Vereinsvorsitzende Dana Bach aber auch zwei Frauen als neue Mitglieder willkommen heißen.

Die Bilanz der Vereinschefin zum Vorjahr fiel relativ kurz aus. Denn wegen Corona mussten 2020 größere Vorhaben wie die Feier zu 175 Jahre Waagenbau in Oschatz ausfallen. Dennoch gab es mehrere Führungen durch das Kulturlandschaftsmuseum im Wermsdorfer Wald im Mai, durch die Kriegsgefangenen-Ausstellung im Rathaus und auf dem Gelände des Wüsten Schlosses im September und einen Besuch der Heimatfreunde im Schloss Leuben Ende Oktober.

Da in diesem Jahr wegen der Pandemie bisher keine öffentlichen Veranstaltungen möglich waren, ist das Programm bis zum Jahresende überschaubar. Alle drei Angebote richten sich auch an geschichtsinteressierte Menschen, die nicht Vereinsmitglieder sind. Zum Denkmaltag am 12. September wird Gabriele Teumer zwischen 13 und 17 Uhr Führungen durch das Wüste Schloss anbieten. Parallel dazu werden Publikationen des Vereins verkauft. Am 13. Oktober wird der betagte Zeitzeuge Erhard Kaasche über seine Erlebnisse während der letzten Tage des Zweiten Weltkrieges 1945 in Oschatz berichten (18.30 Uhr, Müntzer-Haus). Und an gleicher Stelle wird Gabriele Teumer ihr Heft „Ohne Haar und ohne Würde. Oschatzer Frauenschicksale im Nationalsozialismus 1940-1945“ am 2. November vorstellen 18.30 Uhr).


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